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Der Literat aus Gondolin

Mallengliel
(@mallengliel)
Verwandter der Gefährten

Der Literat aus Gondolin

 

 

 

Wer liest nie Gedichte, die für ihn allein geschrieben sind? Der bescheidene Dichter. 

Wer kann nicht zu gespielter Musik singen? Der Flötenspieler. 

Wer findet keine Erwähnung in der Geschichtsschreibung? Jener, der die Geschichte schreibt.

Ist es nicht grausam. 

 

 

 

 

 

Wir schreiben das Jahr 472 des Ersten Zeitalters, in Gondolin, Gondobar, Gondothlimbar, Gwarestrin, Gar Thurion, Lothengriol, Loth. Diese Stadt blüht nun im Frühling und Gesang fließt durch ihre Straßen. Ein verborgenes Juwel strahlt, obwohl es von keinem gesehen wird. Niemand soll es finden und dennoch erscheint es in voller Pracht. Zu welchem Zweck? Vielmehr lautet die Frage: Wenn es sich verbergen möchte, weshalb strahlt es dann stark genug, um mit seiner Schönheit zu blenden? Weshalb erklingen höchste Töne des Lobgesanges, wenn letztlich-

Du liest schon wieder? Was hast du dir diesmal vorgenommen?

Als ich von meinem Buch aufsehe und aus meinen Gedanken finde, erblicke ich ein wohlgesonnenes Grinsen. Es ist Sireon. Er ist, ebenso wie ich, in dieser Stadt aufgewachsen, ist mein Mentor, er ist mein Freund. Sein Blick fällt auf das vor mir auf dem Tisch aufgeschlagene Buch und dann kehrt er wieder zu meinen Augen zurück. Ein Mundwinkel zieht sich herauf, um seiner Frage Nachdruck zu verleihen. Nach einem weiteren Moment des Schweigens geht er um die Ecke des Tisches, um sich neben mich zu stellen. Für kurze Zeit mustert er über meine Schulter hinweg das Buch, verengt seine Augen kurz und lacht dann sanft auf.

Gedichte? Du liest schon wieder Gedichte. Oder schreibst du sie selbst? Sie sehen jedoch vollendet aus. Also liest du Gedichte. Wovon handeln sie?


Von Sternen.

 

Von Sternen! Welches wäre geeigneter, darüber Poesie zu erdenken, als die Sterne!

Ein seelentiefes Seufzen entkommt seinen Lippen und er schließt seine Augen in Zufriedenheit. Ich sehe zu ihm auf und betrachte sein Gesicht. Ein historisches Festhalten von Ereignissen verlangt vermutlich, die betreffenden Personen gründlich vorzustellen. Sireon, so von seinem Vater genannt, von seiner Mutter Ontyalo gerufen und in dieser Stadt mit dem Namen Tercentécino bedacht, ist voller Wahrheit und Ehrgefühl. Er trägt noch mehr Namen. Núranó nennt er sich selbst und neben seiner Familie erlaubt er nur mir, diesen Namen auszusprechen. Das ist vermutlich vernünftig angesichts des Sprachbannes. Sein Beiname wird oft zu Tenco verkürzt.  Er ist älter als ich, und größer. Seine Eltern gehören beide den Noldor an. Meine Mutter ist mit ihnen bekannt. Das tut aber nichts zur Sache. Sireon ist Teil des Hauses der Quelle. Er zeichnet sich durch Tapferkeit, Vertrauenswürdigkeit und strategische Qualitäten aus, sodass er eine unterstützende Position bekleidet. Seine Künste mit dem Schwert sind bewundernswert. Sein Flötenspiel gibt jenen, die von ihm geleitet werden, Mut. Ich schätze mich glücklich, von ihm unterwiesen zu werden. Er brachte mir den Umgang mit Elbenstahl bei. Sireon ist, auch wenn dies viele verblüfft, ein Mann der Gedanken. Unüberlegtes Handeln ist für ihn unüblich. Vielleicht verstehen wir uns deshalb gut. Im Allgemeinen spricht er viel, aber er denkt umso mehr und dies weiß kaum jemand.

…strahlen und erleuchten meine Nacht… Das kommt mir seltsam vertraut vor…

Erneut aus meinem Grübeln gezogen, blicke ich blinzend zu ihm. Er hat sein Gesicht zu einem Ausdruck verzogen, der einem zweifelnden, warmherzigen, sogar entschuldigenden Lächeln gleicht. 

Warum liest du das?

Es ist hervorragend geschrieben.

Eine ehrliche Antwort irritiert ihn. Meine Antwort reicht ihm nicht aus, sein Blick sagt es.

Du hast großes Talent, das ist dir bewusst. 

Er lacht herzlich. Bewusst, ist es mir das wirklich? Schmunzelnd schüttelt er den Kopf und sieht auf das Buch. Dieses hier – Er nickt mit dem Kopf zur aufgeschlagenen Seite. – Ich schrieb es nach einem Traum. Kurz versinkt er in Erinnerungen und ist weit entfernt. Er wirkt gequält, aber sein Ausdruck hat sich für solche, die ihn nicht kennen, nicht verändert. Es sind seine Augen. Er zuckt auf und schüttelt erneut schmunzelnd den Kopf.

Vielleicht ist es deshalb nicht schön zu lesen. Bekommst du nicht ein bedrückendes Gefühl bei diesen Worten; ein Gefühl der Sehnsucht, welche dir die Kehle zuschnürt und sich mit einem unaussprechlichen Gewicht auf deinen Brustkorb wälzt?

Er lächelt mich an.

Erzähl mir von diesem Traum. Nun lacht er kurz.
Von diesem Traum möchtest du hören? Es ist nichts Aufregendes. Ich habe nur die Sterne gesehen.

Er zuckt mit den Schultern und sagt es beiläufig, tut es als Nichtigkeit ab, aber sein Ausdruck verrät, dass mehr dahintersteckt. Ich sehe ihn abwartend an. Ein Grinsen schleicht sich auf seine Lippen und er lacht erneut, diesmal sanfter.

Na schön. Schon gut. Ich erzähle dir mehr, Ferion. Ich habe tatsächlich die Sterne gesehen. Sie spiegelten sich in wunderschönen Augen. Deren Schönheit entstand nicht durch eine besondere Farbe oder durch eine Umrahmung von geschwungenen Wimpern – obwohl diese Merkmale auch zutreffen, wenn ich so darüber nachdenke. Wie dem auch sei: Diese Augen waren schön aufgrund ihrer Tiefe. Sie waren tiefgründig. Ich sah Zeitalter an Gedanken und Hoffnungen und Träumen in ihnen. Es war wie ein nie endender See, ein See, in dem sich die Sterne spiegeln, selbst am Tage. 

Er lacht erneut, es klingt selbstironisch. Furchtbar, von was ich so träume, nicht? 

Verspotte die Träume nicht. Mit einem um Verzeihung bittenden Lächeln schüttelt er den Kopf.

Das wollte ich nicht… Er seufzt, sein Lächeln erhält bittere Züge. Es war in einem Wald. Das Beschreiben seines Traumes wird fortgeführt. In einem grünen Wald. Sie war auch ganz in Grün gekleidet, und sie saß einfach nur da.

Sireon zieht den neben mir stehenden Stuhl heran und nimmt an meiner Seite Platz. Nach einem schweren Seufzen fährt er fort. 

Welchen Sinn haben solche Träume? Wir können nicht gehen. Ist so ein Traum ein Zeichen dafür, die Gebote des Fürsten zu missachten und das Tal zu verlassen? Das denke ich nicht. Wir beide kennen die Zeit der Sterne nicht. Vielleicht habe ich mich im Traum nach dieser unbekannten Zeit gesehnt.

Sein Blick ist auf das Buch gerichtet, aber er scheint etwas ganz Anderes zu sehen, so betrübt, wie er es betrachtet.

Wir beide fragen uns, wie die Welt ohne Sonne und Mond aussah. Wie sie im Licht der Bäume wirkte. Ist es nicht eine grundlegende Eigenheit unseres Volkes, Vergängliches erhalten zu wollen? Wie schön wäre es, Gondolin auf ewig zu bewahren. Es gibt keine Anzeichen für einen künftigen Verlust unserer schönen Heimat, und dennoch lässt mich der Gedanke nicht los, ihr irgendwann Lebewohl zu singen.

Nach diesen Worten verfällt er in Schweigen. Mit Ruhe lege ich meine Hand auf seinen Arm und sehe ihm in die Augen.

Dieses Gedicht ist schön.

Verblüfft starrt er mich an. Nach einem Moment muss er lachen. Es klingt wie die Quellen. 

Na gut. Wenn du es bist, der mir das sagt, will ich es glauben. Schließlich sind die von dir verfassten Gedichte Meisterwerke. Erstaunlich, dass du so viel ausdrücken kannst, wenn du sonst kaum ein Wort sagst.

Er betrachtet mein Gesicht und beginnt, leise zu grinsen. Sein Ausdruck ist sanfter als zuvor.

Ich weiß, dass in deinen Gedanken weitaus mehr geschieht. Kichernd lehnt er sich im Stuhl zurück. Den Tag, an dem du wie ein Wasserfall plapperst, kann ich kaum erwarten! Nun bricht er in herzliches Lachen aus und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. 

Ich widme mich wieder dem vor mir aufgeschlagenen Buch. 

Sireon beugt sich erneut zu mir und sieht mich neugierig an.

Woher hast du das überhaupt? Er deutet mit einer Kopfbewegung auf die Schrift.

Du hast es mir gegeben.

Verwundern beherrscht seine Miene, dann wird sie von Erkennen erhellt. Ah, ach… Ach das…

Er schmunzelt leise. Ich hatte nicht gedacht, dass du es liest. Mach dir Anmerkungen und bring sie später zu mir. 

Mit diesen Worten, und einem weiteren Klopfen auf meine Schulter, steht er auf und verlässt den Raum. 

Mein Blick folgt ihm bis zum Türbogen. Sireon ist nicht verheiratet. Er ist bereits in einem Alter, in dem er als Einzelnstehender auffällt. Sein Status beschert ihm interessierte Damen, aber er verbringt nicht einmal genügend Zeit mit ihnen, um Gefühle zu entwickeln. Einst fühlte er sich zu einer Elbin hingezogen, die einen anderen wählte. Es traf ihn nicht sonderlich stark. Er wirkt als würde er immer allein zurechtkommen und niemanden brauchen, niemanden wünschen, und in diesem Zustand kann er sich vollkommen seiner Pflicht widmen. Es ist kaum zu glauben, dass er niemanden zum Teilen seines Lebens gefunden hat. Mir kommen seine Worte in den Sinn. Er fragt mich oft, weshalb es sich mit mir ebenso verhält. Unsere Antwort bleibt immer gleich. Der Ausdruck in den strahlenden Augen ist kein tiefer See, lediglich ein Spiegel.

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

Wir schreiben das Jahr 479 des Ersten Zeitalters in Gondolin. Ich bin bei Ferion, meinem guten Freund.

Du hast dich bei den heutigen Übungen hervorragend geschlagen! Wie so oft und so gern gebe ich ihm einen freundschaftlichen Ruck. Seit der Schlacht übertriffst du dich selbst. Ich wusste ja stets, dass du großes Potential besitzt, aber in diesem Jahr bist du über dich hinausgewachsen! 

Mein Lob bringt Ferion in Verlegenheit und das bringt mich wiederum zum Kichern. Na na, nur nicht bescheiden sein, mein Bester! Ich lege grinsend einen Arm um seine Schulter und ziehe ihn zu mir heran. Du kannst wahrlich stolz auf dich sein. Ich bin es auf jeden Fall! 

Wie geht es deiner Klinge? Ich richte meinen Blick auf das Schwert in seiner Hand. Seit der Schlacht ist es in seiner Stärke gewachsen, genau wie du. Ihr tragt nun beide neue Namen. Ich bin stolz auf ihn, ich kann es nicht oft genug betonen.

Ein Schwertkämpfer hat viel seinem Mentor zu verdanken… Ferion, bring mich nicht zum Lachen! Ich lache trotzdem und seufze zufrieden. Dann verfalle ich in Ernsthaftigkeit. Diese Schlacht hat uns viel abverlangt… Wir haben scheußliche Dinge erlebt, du ebenso wie ich. 

Für einen Moment werde ich still. Ferion sieht mich beunruhigt an, also erkläre ich mich ihm. 

Dies war auch meine erste Schlacht… Das weißt du. In friedlichen Zeiten konnte ich denen, die mir unterstellt waren, guten Rat geben. Alles fiel leicht. Auf dem Schlachtfeld… Ich sah viele… ehrenhafte, talentierte, sich wacker schlagende Kämpfer… Ich sah sie in ihrem eigenen Blut.

Als ich wieder in Schweigen verfalle, nimmt Ferion meinen Arm und drückt ihn sanft. 

Das ist die Bürde, die deine Schultern tragen… Dessen warst du dir stets bewusst… Ich erinnere mich daran, dass du einst, lang vor der Schlacht, von Tot und Betrauern sprachst, ohne je auf einem Feld Elben sterben gesehen zu haben. Deine Vorstellungskraft übersteigt einfache Einbildung, die man durch das Lesen von Büchern erfährt. Du wusstest, worauf du dich einlässt. Du hast bewusst das Schwert ergriffen und es souverän geführt. Ebenso hast du andere in den Kampf geführt. Du hast dein Bestes getan. 

Ferion sieht mich ernst an. Nach all den Worten, die er spricht - und so viele Worte sind für ihn unüblich - erhält sein Blick noch mehr Bedeutung und ich wende mich aufmerksam zu ihm.

Gib dir nicht die Schuld für etwas, das du nicht kontrollieren kannst. 

…Du hast recht… Du hast wieder einmal recht! Ich lache leise und verzweifelt, dann nicke ich schließlich. Ferion, du warst mir stets ein treuer Freund. Anderen könnte ich mich nicht anvertrauen. Ich möchte keine Schwäche zeigen. Die Gespräche mit dir sind wahrlich eine Wohltat.

Mein ehrliches Lächeln bringt ihn für einen Augenblick in Verlegenheit und ich sehe schmunzelnd weg. Nach einer Weile spricht er wieder.

Du hältst an deinem Entschluss fest, das Schwert niederzulegen?

Ich nicke ohne Zögern.

Das hat mir gereicht. Ich helfe gern weiterhin bei der Ausbildung und für Übungen stehe ich natürlich zur Verfügung. Ich werde auch den Fürsten und unsere Heimat schützen. Nur… Ich bete nur, nie wieder eine Schlacht miterleben zu müssen. Ich weiß, es ist geradezu lächerlich, denn wir beide wissen, dass ich nicht untätig sitzenbleiben könnte, wenn um Kämpfer gebeten wird. Dadurch habe ich überhaupt erst an der Schlacht teilgenommen. Bei dir verhält es sich genauso…

Mein bitteres Lächeln veranlasst Ferion zu einem sorgenvollen Blick. Er lächelt mich jedoch auch verständnisvoll an.

Demnach widmest du dich nun tatsächlich den Schriften?

Ja, so ist es. Meine Bestätigung untermauere ich mit einem Kopfnicken. Wir haben niemanden, der auf dem Schlachtfeld stand und sonst in den Bibliotheken zugegen ist. Irgendjemand muss die Ereignisse ja niederschreiben… Ich schmunzle. Selbstironisch, so würde Ferion das bezeichnen. Ich weiß, dass ich nicht der Einzige mit diesem Vorhaben bin. Ich bin auch nicht der Erste, der in Gondolin eine Sammlung von Schriften beginnt. Zum Glück!

Lass mich deine Berichte lesen. Jederzeit.

Mein Freund bietet mir stets seine Hilfe an. Ich ziehe ihn in eine Umarmung.

Ich weiß, dass die Kriegsschrecken auch dich nicht unberührt gelassen haben. 

Langsam entferne ich mich von ihm und betrachte ihn lächelnd.

Du bist anders als ich. Das beruhigt mich. Ich bin froh, dass du an deinen Idealen festhältst. Ich bin sehr stolz auf dich!

Ich drücke ihn erneut an mich und Ferion lacht verlegen. Bald lasse ich ihn los und grinse ihn an. Ich bin wirklich stolz auf ihn. 

Nach kurzer Rast führen wir unsere Übungen fort. Ich hoffe sehr, dass die Klinge in Ferions Händen kein weiteres Blut kosten wird. Jedoch, was ist die bloße Hoffnung schon wert? Diese Frage stellen sich viele. Die Antwort ist schlicht und erschütternd. 

Eine solche Hoffnung, die in einem lebt, ist der wertvollste Gedanke.

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

Wir schreiben das Jahr 499 des Ersten Zeitalters, in Gondolin. Ein Mensch kam zu unserer verborgenen Stadt, geleitet von den Valar. Wir haben kein Recht, die Wege der Valar in Frage zu stellen. Mir gefiel der Gedanke nie, einem Menschen Vertrauen entgegenzubringen. So verhält es sich seit der Schlacht der Ungezählten Tränen. Durch den Verrat der Menschen verfolgten uns grausame Schrecken. Dieser nach Gondolin gekommene Zweitgeborene ist anders. Alle Elben der Stadt sind Menschen gegenüber wachsam geworden, aber er hat es innerhalb weniger Jahre geschafft, -

Willst du nun einfach nur herumstehen, oder beachtest du meine Anwesenheit auch mal?

Sireon bringt mich aus meinen Gedanken und ich sehe ihn verwirrt an. Wir befinden uns in einer Bibliothek. Mein Freund trägt keine Rüstung und auch nicht sein Schwert. Er hält mehrere Schriftrollen in den Händen. Seit er die Waffe niedergelegt hat, beschäftigt er sich mit den Schriften. Er wird nun nicht nur Tenco, sondern auch Tannarcundo genannt. Ich bin froh, dass er meinem Rat gefolgt ist. Das Schreiben ist seine Bestimmung.

Bitte verzeih. Ja ja, es ist schon gut. Er lacht leise und sortiert die Papiere in einem Regal ein. Dann dreht er sich zu mir und grinst mich an.

Weshalb hat dein Herr Ecthelion den Menschen gewähren lassen?

Die Frage trifft ihn unvorbereitet. Seine Antwort ist ruhig und überzeugt. Hîr Ecthelion erkannte das Zeichen der Valar. Hast du von der Ankunft Tuors geschrieben? Ich sehe sofort eifriges Nicken.

In der Tat, das habe ich! Ich erhielt auch Gelegenheit, mit allen zu sprechen, die damals zu ihm Kontakt hatten, als er die Berge erreichte. Tuor hat wahrlich viel zu berichten! Er verfällt in begeistertes Reden. All die Vorgänge, die sich außerhalb unseres Tals abspielen! Die Ereignisse sind kaum vorstellbar! Sein Ausdruck wird ernster und einen Moment lang hält er inne. …Ich habe ein ungutes Gefühl bei alldem. Ich weiß nicht, ob es so gut ist, in dieser Stadt, unserer Heimat, zu bleiben. 

Mit einem Seufzen nimmt er zwei weitere Schriftrollen von einem Tisch und reiht sie im Regal ordentlich ein. Natürlich respektiere ich die Entscheidung unseres Fürsten. Wir sollten uns dennoch nicht auf unserem Versteck ausruhen. 

Abrupt dreht er sich zu mir und sieht mich direkt an.

Ferion, wir alle sind ein Teil Ardas. Daher sollten wir alle unseren Teil dazu beitragen, Arda zu erhalten. Ist dies nicht unsere Pflicht, die Pflicht eines jeden einzelnen? Jeder tut das, was er kann, auf seine eigene Weise, um dieser Welt zu helfen. Wir haben eine Rolle in der Geschichte. Manchen ist sie noch nicht bekannt. Ich bin ein Teil Ardas und möchte meine Pflicht erfüllen.

Stille kehrt ein. Er versteht etwas von Worten. Ich helfe ihm, indem ich ihm weitere Schriftrollen und Bücher anreiche.

Vielleicht ist es für uns vorherbestimmt, hier zu sein.

Vielleicht ist es auch Tuor vorherbestimmt, bei uns zu verweilen. Er lächelt leicht. Der Junge lernt rasch. Das ist ein gutes Zeichen, meinst du nicht?

Ich nicke langsam. 

Wie steht es um dich? Bist du zufrieden?

Zufrieden? Ja, ich bin zufrieden. Er grinst und entspannt sich. Ich bin beruhigt, weil wir in keine weitere Schlacht verwickelt wurden… Schmunzelnd schüttelt er den Kopf und platziert das letzte Buch. Dann legt er einen Arm um meine Schulter. Lass uns zur Quelle gehen.

Wir verlassen zusammen die Bibliothek. Es ist gut, dass Sireon dabei hilft, die Schriften zu verwalten. Jedes Mal, wenn ich ihn besuchen komme, sitzt er an seinem Schreibpult oder blättert durch beschriebene Seiten. Er ist dann mit allem im Reinen. 

Auf dem Weg zu den Quellen begegnen wir dem Haupt seines Hauses. Er bittet Sireon für einen Moment zur Seite und unterhält sich leise mit ihm. Nachdem sie ihr Gespräch beendet haben, gehen wir weiter.

Er bedauert meine Entscheidung. Ich kann es ihm nicht verübeln. Sireon schmunzelt leise und er ist betrübt. Ich weiß, dass ihm die Entscheidung selbst nicht leichtfiel. Er hat mich jedoch auch um einige Schriften gebeten. Mit diesen Worten wirkt er entspannter und mit neuer Kraft erfüllt. Es ist gut, dass ich auch ohne Schwert meinen Beitrag leisten kann.

Ich denke an seine vorherigen Worte, die er in der Bibliothek gesprochen hat.

Die Feder ist mächtiger als das Schwert, so heißt es doch? 

Das bringt ihn zum Lachen. Er schüttelt lächelnd den Kopf.

So heißt es. Viele vergessen, dass mit der Macht Verantwortung einhergeht.

Kurz ist sein Blick ernst. Die Machtgier anderer frustriert ihn. Dann kehrt sein Lächeln wieder.

Du schreibst nicht für den Vorteil. Wir nicken gemeinsam. Und du kämpfst nicht für den Vorteil. 

Nun muss ich selbst lachen. Wir gehen zufrieden durch die ruhigen Straßen. Vielleicht werden eines Tages die Tore Gondolins für alle geöffnet sein. Dann werden wir andere Elben auf diesen Steinen wandeln sehen. Gondolin ist wie ein schöner Vogel, der in einem Käfig singt.

 Es erstaunt mich, dass er noch singt. 

 

 

 

 

 


 

Zitat
Themenstarter Veröffentlicht : 01/01/2022 5:32 pm